Tinkturen & Essigauszüge herstellen
Vornehmlich aus frischen Pflanzen stellen wir schnellwirksame Tinkturen her, welche unter die Zunge gegeben rasch ihr ganzes Potential durch die zügige Aufnahme der Wirkstoffe entfalten können. Einige Inhaltsstoffe (Harze, Alkaloide & fettlösliche Bestandteile) werden nicht im Wasser, sondern nur im Alkohol gelöst, weshalb sich bei einigen weiterverarbeitenden Rezepturen eine Kombination aus wässrigem Auszug & alkoholischer Tinktur eignet, um alle Wirkstoffe einer Pflanze vereint zu haben. Wir machen uns die schnelle Verfügbarkeit etwa in der Notfallmedizin zunutze, aber auch, um nur einige wenige Tropfen hochwirksamen Kräuterauszuges einnehmen zu müssen. Ein weiterer Vorteil ist die überaus lange Lagerfähigkeit, da die Pflanzenwirkstoffe im Alkohol gebunden bleiben.
Herstellung einer alkoholischen Tinktur
Sammelzeitpunkt
Um Heilpflanzen sinnvoll einsetzen zu können, ist der Sammelzeitpunkt relevant: nicht während oder nach Regenphasen. Blühpflanzen werden mit Eröffnen der Blüte zur Weiterverarbeitung geerntet. Ganze Pflanzen in oberirdischem Teil hingegen idR vor der Blüte. Pflanzen bei denen vorwiegend das ätherische Öl als Wirkstoff zum Tragen kommt nach mindestens 3-4 Sonnentagen. Wurzeln ernten wir im Herbst (für die tendenziell regenerative Kraft, da sich die Pflanze in sich zurück zieht – Bsp. Baldrian) oder Frühling (für eher stärkende, reinigende und ausleitende Kraft – Bsp. Angelika). Blätter werden im jungen bis voll ausgebildeten Stadium geerntet, Samen idR mit voller Reife derselben.
Verfahren
Fülle ein sauberes Glas mit der gewünschten, frisch & zum geeigneten Zeitpunkt geernteten & treffsicher bestimmten Pflanze. Je nach Art werden ¼ – ½ oder sogar mehr Pflanzen in das Glas gegeben. Wasche nur sehr erdige Wurzelstückchen – am besten mit einem Wurzelbürstchen und trockne diese ab, indem Du sie mit einem Küchenhandtuch abtupfst. Belasse feine Blüten & Blätter im Ganzen & zerkleinere grobe Anteile, wie ledrige Blätter, Wurzelstücke & Rinden. Fülle das Glas abermals mit hochprozentigem Alkohol.
Alkohol
Verwende grundsätzlich – auch zur äußeren Anwendung immer Trinkalkohol und keinen vergällten Alkohol oder Isopropyl, auch wenn dieser eben genau deshalb sehr viel preiswerter ist. Ich persönlich verwende sehr gerne 40 – 90 % igen Obstbrand von spritzmittelfreien Wiesen der Hohenloher Gegend, welchen man bei Gastronomen mit entsprechender Lizenz kaufen kann. Es gibt Alkohol, auch Weingeist aus kontrolliert biologischem Anbau. Wenn nichts anderes zu haben ist, kann auch Wodka, Korn oder Obstler verwendet werden.
Alkoholgehalt
28-40 % zarte Blüten und Blätter wie Veilchenblüte, Gänseblümchenblüte, Bärlauchblüte, Malvenblüte, Mohnblüte, beim Wiesenscharbockskraut die ganze Pflanze, zarte Samen, zarte Moose
40-50% Blätter, wie Buchenblätter, Bärlauchblätter, Spitzwegerichblätter, Löwenzahnblätter, Girschblätter, Malvenblätter, kompaktere Blüten wie die der Schlüsselblume, Steinkleeblüte, Arnikablüte, Lindenblüte, festere Samen wie Angelika
50-70% feste Blätter wie Eichen-, Walnussblätter, Wacholderspitzen, harzhaltige Blüten wie die der Ringelblume oder stabile Blüten wie Kastanie
70-90% ledrige Blätter wie Eukalyptus, Schalen wie Kastanie, Rinden wie Eiche, Holunder, Wurzeln wie Beinwell, Baldrian, Angelika oder Alant, Hölzer wie Holunder, Buche, Wacholder
90% – 96 % bzw. Weingeist Harze aus Fichte, Kirsche, Weihrauch, Myrrhe, Dammar, Propolis, Benzoe oder Sandarak, harzhaltige oder ätherisch Öl Hölzer wie Styrax, Sandelholz oder Palo Santo
Sammelvorschriften beachten!
Pflanzgutmenge
Nach dem Arzneimittelbuch wird 1 Teil Pflanzenanteil auf 5-10 Anteile Tinktur gegeben. Dies bezieht sich idR auf getrocknete, dehydrierte Pflanzen. Verwenden wir frische Pflanzen kann der Anteil entsprechend höher sein. Um das abschließend sinnvoll zu beurteilen ist es wichtig, die gesuchten Inhaltsstoffe zu kennen und danach die Dosierung zu bemessen. Als Anfänger werden selbstverständlich keine potentiell toxischen Pflanzen verwendet, daher kannst Du für Deine Tinkturen zunächst so vorgehen wie eingangs beschrieben: das Glas wird 2 x befüllt – einmal lose mit der Pflanze selbst und einmal mit dem Alkohol Deiner Wahl (s.o.). Je höher konzentriert die Tinktur ist, desto weniger wird davon benötigt – innerlich & äußerlich.
Auszug
Eine Tinktur wird nicht im Sonnenlicht ausgezogen, denn der Alkohol ist das lösende Medium, nicht Wärme.
Grundsätzlich gilt: Je kompakter Dein Auszugsmaterial ist, desto länger ist die Auszugsdauer. Ein reine Harztinktur wie die des Weihrauchs muss ein halbes Jahr stehen, wenn der Alkohol den ganzen Wirkstoffkomplex aufnehmen soll. Zarte Blüten wie die des Klatschmohn oder der Wegmalvenblüte übergeben einen Großteil ihrer Wirkstoffe hingegen bereits innerhalb der ersten Stunden. Diesen Prozess kann man gut beobachten an der Farbgebung.
Mehrfach sättigen
Mehrfach gesättigt werden Tinkturen die medizinisch wirksam eingesetzte werden sollen oder als naturkosmetische Wirkstoffgrundlage. Diese können entsprechend sparsam dosiert werden, was den Einsatz von Alkohol minimiert. Dazu wird die erste Tinktur gefiltert und ein zweites Mal mit dem gleichen Pflanzenmaterial befüllt, um dieses in gleicher Vorgehensweise auszuziehen. Dieser Vorgang kann wiederholt werden, bis die Tinktur „satt“ ist, also nichts mehr aufnehmen kann. Bei manchen Pflanzen reicht das einmal, bei anderen wiederholen wir das bis 10x. Letzteres auch, um Duftstoffe aus den ätherischen Ölen zu Fixieren wie z.B. bei Vanilleschoten.
Filtration
Als Richtwert: Frühestens nach 6 – 8 Wochen ist eine Tinktur aus Blüte und Blättern bzw. Wurzeln gebrauchsfertig & Du kannst diese abfiltern.
Solange das Kraut alkoholbedeckt ist, ist auch das Lagern samt Auszugsmaterial kein Problem. Damit nichts zu gammeln beginnt, muss der gesamte Pflanzenanteil immer im Alkohol liegen.
Sehr nützlich sind Trichter, in welche Du zu Beginn des Filtrationsvorgangs ein chlorfrei gebleichtes Zelltuch legst, um diesen dann auf Deiner Lagerflasche zu platzieren. Jetzt gibst Du den Ansatz in den vorbereiteten Filter und gibst dem Prozess soviel Zeit, wie es benötigt. Dann musst Du am Ende des Vorganges nur noch den verbliebenen Rest mit sauberen Händen oder einer Spätzlespresse aus Plastik auspressen.
Verdünnen
Vorwiegend die hochprozentigen Tinkturen werden rückverdünnt. Reine weingesittinktur bitte keinesfalls pur einnehmen oder auftragen. Dafür kann die alkoholische Tinktur in ein Glas heißes, nicht kochendes Wasser geben werden, damit der Alkohol rasch verdampft. Dann ein Weilchen mit einem Holzlöffel oder Schaschlik-Spieß umrühren. Arnikatinktur muss (!) stark verdünnt werden, auch zur äußeren Anwendung um Hautreizungen zu vermeiden.
Herstellung eines Essigauszuges
Wenn wir eine Tinktur haben, aber keinen Alkohol zu uns nehmen wollen (z. B. für Kinder, lebergeschädigte Menschen oder Ex – Alkoholiker, welche überhaupt keinen Alkohol mehr zu sich nehmen sollten, auch nicht die kleinsten Mengen), können wir die frischen Pflanzen auch in biologischem Apfelessig ansetzen. Diese Auszüge sind nicht so lange haltbar & müssen höher dosiert werden (am besten in ein Glas Wasser). Zur Herstellung einer Essigtinktur verfährst Du wie oben beschrieben. Ein Essigansatz darf nicht mit einem Metalldeckel verschlossen werden, nimm einen Korken stattdessen.
Du kannst natürlich auch Deinen Salat mit einem Kräuteressig würzen. Ein Essigauszug mit geeigneten Pflanzen (s.o.) kann natürlich auch als Haarspülung verwendet werden – in 1 l Wasser 1 Essl. Essigauszug geben & damit das Haar zuletzt spülen:
• Brennnessel stärkt den Haarboden
• Klettenwurzel regeneriert die Haarwurzel
• Kamillenblüte bringt Glanz in blondes Haar, beruhigt nervösen Haarboden
• Henna rot: bringt Glanz in rotes Haar, leicht färbend
• Henna neutral: regeneriert jedes Haar & bringt Glanz ins Haar
• Walnussschalen: frischt braunes Haar auf, leicht färbend
• Flockenblume: belebt schwarzes Haar
Lagerung
Beschrifte Deine Auszüge allesamt sorgfältig mit verwendetem Pflanzenteil, dem verwendeten Auszugsmittel. Filtriert sollten sie lichtgeschützt gelagert werden, dazu eignen sich dicht schließende Braun- oder Violettglasflaschen.
Haltbarkeit
Tinkturen sind in der Regel 1-4 Jahre in voller Kraft bei licht- & luftgeschützer Lagerung. Sie werden nicht schlecht, verlieren aber im Laufe der Zeit ihre Kraft und lassen im ätherisch Öl – Gehalt nach, sofern dieser komplexe Inhaltsstoff enthalten ist.
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Kräutersammeln in virtuellen Zeiten https://naowa.de/kraeuter-sammeln-in-virtuellen-zeiten/
YouTube: Ätherische Öle zur emotionalen Unterstützung https://youtu.be/qx80ZOdmWoY
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Copyright Text Myriam Veit
Copyright Bilder Charlotte Fischer